Stereo-Matching

Das Stereo-Matching-Modul berechnet auf Grundlage des rektifizierten Stereobildpaars Disparitäts-, Fehler- und Konfidenzbilder.

Berechnung von Disparitätsbildern

Nach der Rektifizierung haben das linke und das rechte Kamerabild die Eigenschaft, dass ein Objektpunkt in beiden Bildern auf die gleiche Pixelreihe projiziert wird. Die Pixelspalte des Objektpunkts ist im rechten Bild maximal so groß wie die Pixelspalte des Objektpunks im linken Bild. Der Begriff Disparität bezeichnet den Unterschied zwischen den Pixelspalten im rechten und linken Bild und gibt die Tiefe des Objektpunkts, d. h. dessen Abstand zum rc_visard an. Das Disparitätsbild speichert die Disparitätswerte aller Pixel des linken Kamerabilds.

Je größer die Disparität, desto näher liegt der Objektpunkt. Beträgt die Disparität 0, bedeutet dies, dass die Projektionen des Objektpunkts in der gleichen Bildspalte liegen und der Objektpunkt sich in unendlicher Distanz befindet. Häufig gibt es Pixel, für welche die Disparität nicht bestimmt werden kann. Dies ist der Fall bei Verdeckungen auf der linken Seite von Objekten, da diese Bereiche von der rechten Kamera nicht eingesehen werden können. Zudem lässt sich die Disparität auch bei texturlosen Bereichen nicht bestimmen. Pixel, für welche die Disparität nicht bestimmt werden kann, werden mit dem besonderen Disparitätswert 0 als ungültig markiert. Um zwischen ungültigen Disparitätsmessungen und Messungen, bei denen die Disparität aufgrund der unendlich weit entfernten Objekte 0 beträgt, unterscheiden zu können, wird der Disparitätswert für den letztgenannten Fall auf den kleinstmöglichen Disparitätswert über 0 gesetzt.

Um Disparitätswerte zu berechnen, muss der Stereo-Matching-Algorithmus die zugehörigen Objektpunkte im linken und rechten Kamerabild finden. Diese Punkte stellen jeweils den gleichen Objektpunkt in der Szene dar. Für das Stereo-Matching nutzt der rc_visard SGM (Semi-Global Matching). Dieser Algorithmus zeichnet sich durch eine kurze Laufzeit aus und bietet, insbesondere an Objekträndern, bei feinen Strukturen und in schwach texturierten Bereichen, eine hohe Genauigkeit.

Unabhängig vom eingesetzten Verfahren ist es beim Stereo-Matching wichtig, dass das Bild über eine gewisse Textur verfügt, durch Muster oder Oberflächenstrukturen. Bei einer gänzlich untexturierten Szene, wie einer weißen Wand ohne jede Struktur, können Disparitätswerte entweder nicht berechnet werden oder aber die Ergebnisse sind fehlerhaft oder von geringer Konfidenz (siehe Konfidenz- und Fehlerbilder). Bei der Textur in der Szene sollte es sich nicht um ein künstliches, regelmäßig wiederkehrendes Muster handeln, da diese Strukturen zu Mehrdeutigkeiten und damit zu falschen Disparitätsmessungen führen können.

Wird der rc_visard in untexturierten Umgebungen eingesetzt, lässt sich mithilfe eines externen Musterprojektors eine statische künstliche Struktur auf die Szene projizieren. Dieses projizierte Muster sollte zufällig sein und keine wiederkehrenden Strukturen enthalten.

Berechnung von Tiefenbildern und Punktwolken

Die folgenden Gleichungen zeigen, wie sich die tatsächlichen 3D-Koordinaten \(P_x, P_y, P_z\) eines Objektpunkts im Sensor-Koordinatensystem aus den Pixelkoordinaten \(p_{x}, p_{y}\) des Disparitätsbilds und dem Disparitätswert \(d\) in Pixeln berechnen lassen:

(1)\[\begin{split}P_x&=\frac{p_x \cdot t}{d}\\ P_y&=\frac{p_y \cdot t}{d}\\ P_z&=\frac{f \cdot t}{d},\end{split}\]

wobei \(f\) die Brennweite nach der Rektifizierung (in Pixeln) und \(t\) der während der Kalibrierung ermittelte Stereo-Basisabstand (in Metern) ist. Diese Werte werden auch über die GenICam-Schnittstelle zur Verfügung gestellt (siehe Besondere Parameter der GenICam-Schnittstelle des rc_visard).

Hinweis

Der rc_visard stellt über seine verschiedenen Schnittstellen einen Brennweitenfaktor bereit. Er bezieht sich auf die Bildbreite, um verschiedene Bildauflösungen zu unterstützen. Die Brennweite \(f\) in Pixeln lässt sich leicht bestimmen, indem der Brennweitenfaktor mit der Bildbreite (in Pixeln) multipliziert wird.

Es ist zu beachten Sie, dass für Gleichungen (1) davon ausgegangen wird, dass das Bildkoordinatensystem in der Bildmitte zentriert ist. In der folgenden Abbildung ist die Definition des Bildkoordinatensystems dargestellt.

_images/image_coordinates.png

Abb. 20 Bildkoordinatensystem: Der Ursprung des Bildkoordinatensystems befindet sich in der Bildmitte – \(w\) ist die Bildbreite und \(h\) die Bildhöhe.

Die gleichen Formeln, aber mit den entsprechenden GenICam Parametern sind in Umwandlung von Bild-Streams angegeben.

Die Gesamtheit aller aus dem Disparitätsbild errechneten Objektpunkte ergibt eine Punktwolke, die für 3D-Modellierungsanwendungen verwendet werden kann. Das Disparitätsbild kann in ein Tiefenbild umgewandelt werden, indem der Disparitätswert jedes Pixels durch den Wert \(P_z\) ersetzt wird.

Hinweis

Auf der Homepage von Roboception (http://www.roboception.com/download) stehen Software und Beispiele zur Verfügung, um Disparitätsbilder welche über GigE Vision vom rc_visard empfangen werden, in Tiefenbilder und Punktwolken umzuwandeln.

Konfidenz- und Fehlerbilder

Für jedes Disparitätsbild erstellt der rc_visard ein Fehler- und ein Konfidenzbild, um die Unsicherheit jedes einzelnen Disparitätswerts anzugeben. Fehler- und Konfidenzbilder besitzen die gleiche Auflösung und Bildwiederholrate wie das Disparitätsbild. Im Fehlerbild ist der Disparitätsfehler \(d_{eps}\) in Pixeln angegeben; er bezieht sich auf den Disparitätswert an der gleichen Bildkoordinate im Disparitätsbild. Das Konfidenzbild gibt den entsprechenden Konfidenzwert \(c\) zwischen 0 und 1 an. Die Konfidenz gibt an, wie wahrscheinlich es ist, dass der wahre Disparitätswert innerhalb des Intervalls des dreifachen Fehlers um die gemessene Disparität \(d\) liegt , d. h. \([d-3d_{eps}, d+3d_{eps}]\). So lässt sich das Disparitätsbild mit Fehler- und Konfidenzwerten in Anwendungen einsetzen, für die probabilistische Folgerungen nötig sind. Die Konfidenz- und Fehlerwerte für eine ungültige Disparitätsmessung betragen 0.

Der Disparitätsfehler \(d_{eps}\) (in Pixeln) lässt sich mithilfe der Brennweite \(f\) (in Pixeln), des Basisabstands \(t\) (in Metern) und des Disparitätswerts \(d\) (in Pixeln) desselben Pixels im Disparitätsbild in einen Tiefenfehler \(z_{eps}\) (in Metern) umrechnen:

(2)\[z_{eps}=\frac{d_{eps}\cdot f\cdot t}{d^2}.\]

Durch Kombination der Gleichungen (1) und (2) kann der Tiefenfehler zur Tiefe in Bezug gebracht werden:

\[z_{eps}=\frac{d_{eps}\cdot{P_z}^2}{f\cdot t}.\]

Unter Berücksichtigung der Brennweite und Basisabstände beider rc_visard-Modelle sowie des typischen Disparitätsfehlers \(d_{eps}\) von 0,5 Pixeln lässt sich der Tiefenfehler wie folgt grafisch darstellen:

_images/reconstruction_error.png

Der rc_visard stellt über die GenICam-Schnittstelle zeitgestempelte Disparitäts-, Fehler- und Konfidenzbilder zur Verfügung (siehe Verfügbare Bild-Streams). Live-Streams in geringerer Qualität werden in der Web GUI bereitgestellt.

Parameter

Das Stereo-Matching-Modul wird in der REST-API als rc_stereomatching bezeichnet und in der Web GUI auf der Registerkarte Tiefenbild dargestellt. Der Benutzer kann die Stereo-Matching-Parameter entweder dort oder über die REST-API (REST-API-Schnittstelle) oder über GigE Vision (GigE Vision 2.0/GenICam-Schnittstelle) ändern.

Übersicht über die Parameter

Dieses Softwaremodul bietet folgende Laufzeitparameter.

Tab. 8 Laufzeitparameter des rc_stereomatching-Moduls
Name Typ Min. Max. Default Beschreibung
disprange int32 32 512 256 Disparitätsbereich in Pixeln
fill int32 0 4 3 Disparitätstoleranz (für das Füllen von Löchern) in Pixeln
force_on bool False True False Verarbeitung auch ohne Empfänger erzwingen
maxdepth float64 0.1 100.0 100.0 Maximale Tiefe in Metern
maxdeptherr float64 0.01 100.0 100.0 Maximaler Tiefenfehler in Metern
median int32 1 5 1 Größe des Medianfilter-Fensters in Pixeln
minconf float64 0.5 1.0 0.5 Mindestkonfidenz
mindepth float64 0.1 100.0 0.1 Minimaler Abstand in Metern
quality string - - H S(taticHigh), H(igh), M(edium), oder L(ow)
seg int32 0 4000 200 Mindestgröße der gültigen Disparitätssegmente in Pixeln

Dieses Modul meldet folgende Statuswerte:

Tab. 9 Statuswerte des rc_stereomatching-Moduls
Name Beschreibung
fps Tatsächliche Bildwiederholrate der Disparitäts-, Fehler- und Konfidenzbilder. Dieser Wert wird unter der Bildvorschau in der Web GUI als Bildwiederholrate (Hz) angezeigt.
time_matching Zeit in Sekunden für die Durchführung des Stereo-Matchings mittels SGM auf der GPU
time_postprocessing Zeit in Sekunden für die Nachbearbeitung des Matching-Ergebnisses auf der CPU

Da das SGM-Stereo-Matching-Verfahren und die Nachbearbeitung parallel ablaufen, entspricht die Gesamtverarbeitungszeit dieses Moduls dem Höchstwert aus time_matching und time_postprocessing. Diese Zeit wird unter der Bildvorschau in der Web GUI als Verarbeitungszeit (s) angezeigt.

Beschreibung der Laufzeitparameter

Jeder Laufzeitparameter ist durch eine eigene Zeile auf der Registerkarte Tiefenbild der Web GUI repräsentiert. Der Web GUI-Name des Parameters ist in Klammern hinter dem Namen des Parameters angegeben und die Parameter werden in der Reihenfolge, in der sie in der Web GUI erscheinen, aufgelistet:

_images/webgui_depth_image_de.png

Abb. 21 Registerkarte Tiefenbild der Web GUI

quality (Qualität)
Disparitätsbilder lassen sich in drei verschiedenen Auflösungen berechnen: Hoch (640 x 480 Pixel), Mittel (320 x 240 Pixel) und Niedrig (214 x 160 Pixel). Je niedriger die Auflösung, desto höher die Bildwiederholrate des Disparitätsbilds. Eine Bildwiederholrate von 25 Hz lässt sich nur bei niedriger Auflösung erreichen. Zudem kann die Qualitätsoption Statisch ausgewählt werden: Diese steht für eine hohe Auflösung bei einer maximalen Bildwiederholrate von 3 Hz und für die Akkumulation von Zwischenbildern. Durch diese Akkumulation wird das Bildrauschen reduziert. Die Option eignet sich jedoch nur, wenn sich die Szene nicht verändert. Es ist zu beachten, dass die Bildwiederholrate der Disparitäts-, Konfidenz- und Fehlerbilder immer höchstens der Bildwiederholrate der Kamera entspricht.
disprange (Disparitätsbereich)
Der Disparitätsbereich geht immer von 0 bis zum maximalen Disparitätswert, den ein Pixel in einem Disparitätsbild annehmen kann. Wird der Disparitätsbereich erhöht, wird der messbare Mindestabstand kleiner, da größere Disparitätswerte mit geringeren Messabständen einhergehen. Der Disparitätsbereich ist in Pixeln angegeben und kann auf einen Wert zwischen 32 und 512 Pixeln eingestellt werden. Da mit einem größeren Disparitätsbereich auch der Bereich für die Suche nach dem passenden Pixel im rechten rektifizierten Bild wächst, führt ein größerer Disparitätsbereich zu einer längeren Verarbeitungszeit und einer geringeren Bildwiederholrate. Der Wert des Disparitätsbereichs bezieht sich auf ein hochauflösendes Disparitätsbild (640 x 480 Pixel) und muss nicht skaliert werden, wenn eine niedrigere Auflösung gewählt wird. So gibt der Disparitätsbereich für jede Auflösungsoption den gleichen Mindestabstand an.
fill (Füllen)
Diese Option wird verwendet, um Löcher im Disparitätsbild durch Interpolation einer Ebene zu füllen. Dabei werden lediglich Löcher, die kleiner als die Segmentierungsgröße (siehe unten) sind, für die Interpolation ausgewählt. Der Füllwert gibt die maximale Disparitätsabweichung an, die ein Rand-Pixel von der Interpolationsebene haben darf. Nur wenn alle Rand-Pixel um weniger als den Füllwert von der Ebene abweichen, wird ein Loch gefüllt. Größere Füllwerte verringern die Anzahl an Löchern, aber die interpolierten Werte können größere Fehler aufweisen. Die Konfidenz für die interpolierten Pixel wird auf einen geringen Wert von 0,5 eingestellt. Deren Fehler ist auf die mittlere Abweichung der Loch-Randpixel von der Interpolationsebene eingestellt. Das Auffüllen lässt sich deaktivieren, wenn der Wert auf 0 gesetzt wird.
seg (Segmentierung)
Der Segmentierungsparameter wird verwendet, um die Mindestanzahl an Pixeln anzugeben, die eine zusammenhängende Disparitätsregion im Disparitätsbild ausfüllen muss. Isolierte Regionen, die kleiner sind, werden im Disparitätsbild auf ungültig gesetzt. Dies eignet sich, um Disparitätsfehler zu entfernen. Bei größeren Werten kann es jedoch vorkommen, dass real vorhandene Objekte entfernt werden.
median (Median)
Dieser Wert bestimmt die Seitenlänge der Filterregion (in Pixeln) für den Medianfilter, der das Disparitätsbild glättet. Größere Werte führen zu einer Überglättung und beanspruchen mehr Bearbeitungszeit. Der Medianfilter lässt sich effektiv abschalten, wenn das Filterfenster auf die Größe 1 gesetzt wird.
minconf (Minimale Konfidenz)
Die Mindestkonfidenz lässt sich einstellen, um potenziell falsche Disparitätsmessungen herauszufiltern. Dabei werden alle Pixel, deren Konfidenz unter dem gewählten Wert liegt, im Disparitätsbild auf „ungültig“ gesetzt.
maxdeptherr (Maximaler Fehler)
Der maximale Tiefenfehler wird verwendet, um Messungen, die zu ungenau sind, herauszufiltern. Alle Pixel mit einem Tiefenfehler, der den gewählten Wert überschreitet, werden im Disparitätsbild auf „ungültig“ gesetzt. Der maximale Tiefenfehler wird in Metern angegeben. Der Tiefenfehler wächst in der Regel quadratisch mit dem Abstand eines Objekts vom Sensor (siehe Konfidenz- und Fehlerbilder).
mindepth (Minimaler Abstand)
Der Mindestabstand bezeichnet den geringsten Abstand vom Sensor, ab dem Messungen möglich sind. Größere Werte verringern implizit den Disparitätsbereich, wodurch sich auch die Rechenzeit verkürzt. Der Mindestabstand wird in Metern angegeben.
maxdepth (Maximaler Abstand)
Der Höchstabstand ist der größte Abstand vom Sensor, bis zu dem Messungen möglich sind. Pixel mit größeren Distanzwerten werden auf „ungültig“ gesetzt. Wird dieser Wert auf das Maximum gesetzt, so sind Werte bis zur Unendlichkeit möglich. Der Höchstabstand wird in Metern angegeben.

Die gleichen Parameter sind – mit leicht abweichenden Namen und teilweise mit anderen Einheiten oder Datentypen – auch über die GenICam-Schnittstelle verfügbar (siehe GigE Vision 2.0/GenICam-Schnittstelle).

Services

Das Stereo-Matching-Modul bietet folgende Services, um Parametereinstellungen zu speichern bzw. wiederherzustellen.

save_parameters (Speichern)

Beim Aufruf dieses Services werden die aktuellen Parametereinstellungen des Stereo-Matching-Moduls auf dem rc_visard gespeichert. Das bedeutet, dass diese Werte selbst nach einem Neustart angewandt werden.

Für diesen Service sind keine Argumente nötig.

Dieser Service liefert keine Rückgabewerte.

reset_defaults (Zurücksetzen)

Hiermit werden die Werkseinstellungen der Parameter dieses Moduls wiederhergestellt und angewandt („factory reset“).

Achtung

Der Benutzer muss bedenken, dass beim Aufruf dieses Services die aktuellen Parametereinstellungen für das Stereo-Matching-Modul unwiderruflich verloren gehen.

Für diesen Service sind keine Argumente nötig.

Dieser Service liefert keine Rückgabewerte.